Der Fall Augstein scheint, von der TAZ über den Spiegel bis der FAZ, einen Großteil der deutschen Medien zu vereinen, die sich gemeinsam über die Liste empören. Zugleich wird dieser Autor, der sich durch ganz besonders abstruse anti-israelische und verschwörungsideologische Ausfälle auszeichnet, geadelt. In der TAZ wurde Augstein zum „scharfen, rationalen Kritiker“ gemacht. Zugleich wurde vor einer geheimnisvollen „Israel-Lobby“ gewarnt, die „zunehmend hysterisch klingen“ würde.
Ganz ähnliches wusste der Deutschlandfunk zu vermelden: „Er ist ein kritischer Denker“, hieß es in einem Beitrag, mit dem der Autor die Behauptung aufstellte, dass es „lächerlich“ sei, „diesen kritischen Journalisten an den Pranger zu stellen“. Im Spiegel geiferte derweil der Antikommunist Jan Fleischhauer in seiner Kolumne „Der schwarze Kanal” über das Zentrum und die Liste. Dem Wiesenthal-Zentrum unterstellte Fleischhauer, dass es einer „Aufmerksamkeitsökonomie“ folgen würde, um „Spenden“ zu generieren. Im Stern war wiederum von Diffamierung eines Journalisten die Rede. In der FAZ schrieb man ebenfalls von Diffamierung und munkelte mit Augstein außerdem von der „Rolle der jüdischen Interessenverbände“ in den USA. Von Diffamierung schrieb auch die Zeit. Man folgte der Erklärung des Betroffenen, der sich auf seiner Facebook-Seite zu der hanebüchenen Verlautbarung herabließ, dass der „Kampf gegen den Antisemitismus” geschwächt werden würde, „wenn kritischer Journalismus als rassistisch oder antisemitisch diffamiert wird”. In der nationalbolschewistischen Tageszeitung Junge Welt empörte sich Werner Pirker in seiner Kolumne „Der Schwarze Kanal” derweil über das von „Zionisten und ihren Claqueuren angestimmte Antisemitismusgeschrei“. Das klingt alles durchaus ähnlich. Die Causa Augstein eint die Medien, die den Fall benutzen, um das ein oder andere Vorurteil zu verbreiten.
Es sind jedoch nicht nur deutsche Journalisten, sondern auch Politikerinnen und Politiker, die sich auf die Seite des Jakob Augstein schlagen. Von der Linken bis zur CDU sind hier ebenfalls alle einer Meinung: Gregor Gysi unterstellte dem Zentrum sogar, dass es „den schleichenden Antisemitismus“ unterstützen würde. So machte er die Kritiker des Antisemitismus für den Antisemitismus verantwortlich.. Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner verteidigte Jakob Augstein ebenso wie ihre Partei-Kamerad Ruprecht Polenz, der von einer Antisemitismus-Keule schwadronierte, die gegen Augstein geschwungen werden würde. Es ist das archaische Bildnis vom Keulenschwinger, das auf diese Weise bedient wird. Voller Inbrunst empörte man sich gemeinsam über das Wiesenthal-Zentrum. Man will sich eben nicht von einer jüdisch-amerikanischen Institution vorschreiben lassen, was Antisemitismus ist. Wenn Augstein ein Antisemit wäre, würde das auch auf den Großteil seiner Verteidiger zutreffen, die nun von Keulen und Lobbys raunen und ähnliche Inhalte verbreiten, für die Augstein auf der Liste landete.